Es war ja klar, dass ich früher oder später in Samnaun sein werde, war es mittlerweile doch das einzige mir noch unbekannte grosse Schweizer Skigebiet. Trotzdem kam das Ganze relativ spontan zustande. Blöd war, dass ich mit meinem kurzen Ferienfenster im März wieder den Saharastaub erwischt habe, wie schon letzten Frühling an der Diavolezza. Ich hatte zwei Tage Zeit, um das Skigebiet von Samnaun und Ischgl abzugrasen, wobei davon die lange An- und Abreise einiges an Zeit frass. Nur wenige Schweizer Skigebiete sind derart umständlich zu erreichen. Die Übernachtung buchte ich Samnaun Dorf. So würde ich beide Talabfahrten nach Samnaun einmal ausprobieren können.

Ansonsten bestand die Planung darin, am ersten Tag eher die östlichen und am zweiten Tag eher die westlichen Bereiche kennenzulernen und dabei so gut wie zeitlich möglich alle Hauptpisten wenigstens einmal zu fahren. Offen war ja praktisch alles. Meine Erwartungen sowohl ans Skigebiet wie auch an die Klientel waren nicht allzu hoch, vor allem bei Letzterem, trotzdem ist man immer gespannt, wie es dann wirklich sein wird. Gerade Samnaun selbst hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt, mehr dazu später. An der Talstation in Ravaisch sieht man abgesehen von den beiden Pendelbahnen jedenfalls noch nichts vom Skigebiet. Die Zweitageksarte kam mir aus dreierlei Gründen teuer zu stehen: Wechselkurs, Rabatt für Gästekarte, die ich erst am Abend bekommen sollte, und 5 Euro Depot, für die man allerdings extra per Bus zur Talstation zurück muss, da die Talabfahrten ja in anderen Dörfern enden.

Von der eigentlich geltenden Maskenpflicht war im Twinliner nicht viel zu merken. Um ziemlich genau 11 Uhr kam ich - endlich - oben an und liess mich überraschen. Leute hatte es viele für einen Wochentag. Die Sicht war schon mal besser als erwartet, zwar etwas milchig, aber kein Vergleich zum diffusen Sahara-Blindflug von letztem Jahr. Hingegen hatte der Staub seine Spuren im Schnee sel der Alp Trida war rot eingehüllt. Zudem war es viel zu warm, der Schnee bereits völlig aufgweicht und die Pisten zerfahren.

Anfahrt auf Alp Trida auf der Piste 69. Gar nicht einfach, sich in dem Kabelsalat zu orientieren.

auf der recht kurzen 6KSB Alp Trida Sattel

Blick von der 69a in den Kessel Alp Trida, mit Sahara-Staub überzogen

weiter auf der neuen 8KSB Visnitz

Die ersten paar Abfahrten machten mir einige Mühe, da ich vorerst noch den schweren Rucksack mittrug und der sulzig-schwere Schnee teilweise arg bremsig wirkte, besonders wenn man jeweils eine heftige "Sanddüne" erwischte. Die Pisten rund um die Alp Trida sind alle nichts besonderes: wenig Höhenmeter, breit, planiert. Da die Warteschlange an der 4KSB Flimsattel gerade lang war, machte ich zwei Wiederholungsfahrten an der 8KSB Visnitz, auf den Pisten 65 und 67. Hier am Südhang wars schon echt warm.

gegenüber der Alp Trida Sattel

schon stark aufgeweichte Pisten bei der Visnitz-KSB

auf der langen 4KSB Flimsattel

Grenze auf dem Viderjoch auf 2732 m.ü.M.

Sobald die Schlange an der 4KSB kürzer wurde, wechselte ich mit ihr rüber nach Österreich, ich würde am Nachmittag noch einige Abfahrten auf der Schweizer Seite machen können. War schon länger her, seit ich mit dem Snowboard letztmals auf ausländischem Boden stand. Runter zur Idalp wurde ich nach und nach erschlagen. Viele, viele Leute, dreistöckige Restaurants, parallele Sessel- und Gondelbahnen, Turmkanonen. Industrialisiertes Skifahren, ganz extrem. Erstmals an der Idalp wurde es zur puren Herausforderung, die Talstation der "richtigen" Sesselbahn zu finden. Ich wollte nämlich mit der "Gratbahn" rauf zum Pardatschgrat. Dämlich, alles heisst hier "Bahn", damit wird der Industriecharakter mit Nachdruck untermalt.

kurze Gratbahn hinauf auf den Pardatschgrat

oben auf dem Pardatschgrat, rechts die 6KSB Velilleck

landschaftlich nett die rote 7

als unverbaute Geländekammer ist das Velilltal eine absolute Ausnahme in Ischgl

Blick zurück, insgesamt halt recht flach

Die Idee war, jetzt mal die meisten Pisten am Pardatschgrat abzufahren. Und das war sogar richtig gut hier! Den Rucksack konnte ich beim Restaurant Pardorama sicher deponieren. Hier, im Rücken der Idalp, gabs jede Menge steile, leere Pisten, die allesamt noch gut beeinander waren. So ergab sich eine Wiederholungsfahrt an der angenehm leeren 6KSB Veilleck. Anschliessend auf der schwarzen 4 runter zur alten Gondelbahn. Schön, dass man beim Bau der Dreiseilbahn die obere Sektion der Gondelbahn stehen gelassen hat, denn damit werden höhenmeter-intensive, sportliche Abfahrten elegant und direkt erschlossen.

6KSB Velilleck zurück auf den Pardatschgrat

Start der schwarzen 4

hier erstaunlich guter Pistenzustand, da wenig befahren

auf der roten 4, nix los

rote 5 an der Pardatsch-Dreiseilbahn

die gewaltige Bahn macht 1250 Höhenmeter

Nun nahm ich mir vor, einmal die Talabfahrt ganz runter ins verbotene Dorf zu machen. Man merkt schon, die Pisten sind für abartige Menschenmassen angelegt: sehr breit, spürbar modelliert und planiert, mit Natur hatte die Talabfahrt unten nix zu tun. Der Schnee wurde auch immer bremsiger, auf der flachen Strasse bis zum Zielhang blieb ich beinahe stehen und stecken. Unten stieg ich direkt ein in die Dreiseilbahn, ohne das "Dorf" gross mit Blicken zu würdigen. Besser so. Eigentlich erstaunlich, dass ich die Corona-Schleuder Europas überhaupt halbwegs besuchte. Sollte man eigentlich nicht belohnen. Wie heisst es leider? "Only no news are bad news"? Rauf zum Pardatschgrat kam ich erstmals in Kontakt mit der Ischgler Klientel - es scheint hier völlig normal, während dem "Skifahren" aus dem Flachmann zu saufen.

auf der 1a in Richtung Ischgl

Blick zurück - alte und neue Gondel-Generation vereint

unten sehr stark planiert die Talabfahrt

Zielhang an der 3S-Bahn

die beiden KSB-Bergstationen am Pardatschgrat

auf der stark planierten blauen 5 - gegenüber die Standardhänge zum Viderjoch und zum Idjoch

Gut, hatte ich mir etwas Zeit genommen für den Pardatschgrat. Gut, war ich hier, bevor der Himmel bedeckter wurde, manche der Pisten waren es tatsächlich wert. Dank dem felsigen Gelände wirkte das teilweise sogar eine Spur alpin, obwohl natürlich auch dieser Hang stark zugebaut ist. Eigentlich war mein nächstes Ziel die rote Talabfahrt 1, runter bis zur Mittelstation der Fimba-Gondelbahn. Soweit sollte es aber nicht mehr kommen.