Andermatt gehört zu den wenigen typischen Frühlings-Skigebieten, welche erst im Mai die Wintersaison beenden. An einem Wochentag Ende April waren selbstverständlich nur einige wenige Unentwegte im Skigebiet anzutreffen. Entgegen den Prognosen war das Gotthard-Massiv im Gegensatz zur Restschweiz in dichten Wolken gehüllt. Nun hätte ich mich natürlich ärgern können, denn dafür fährt man nicht extra nach Andermatt. Da ich mir im Klaren war, dass sich die Situation im Laufe des Tages kaum bessern würde, und ich nun sowieso schon da war, versuchte ich dem Ganzen etwas Positives abzugewinnen und war auf die Situation im am Berg gespannt.


Urserental in sibirischer Atmosphäre


Fussweg vom Bahnhof zur Talstation. Nichts deutet auf ein Wintersportort hin, trotz 1447 Metern Meershöhe.


Talstation der Luftseilbahn, während es bereits hier zu schneien begann.

Vor Jahresfrist in Engelberg beendete ich die Wintersaison ebenfalls bei ziemlich wenig Sonnenschein. Trotz nur noch 3 geöffneten Anlagen und nicht mehr markierter Talabfahrt dürfte das tatsächliche Pistenangebot in etwa gleich gross gewesen sein. Mit echtem Frühlingsvergnügen sollte der Tag jedoch herzlich wenig gemeinsam haben: Weder Sulzschnee noch schmale Kunstschneebänder, sondern frischer Pulverschnee, während im Mittelland mehr als 20°C herrschten.


Überblick über die Gurschenalp: links die Mittelstation, dann der selten betriebene Skilift und rechts die 2SB


einfahrende Kabine der 2. Sektion

Obiges Bild verrät bereits, wie man sich die Bedingungen 700 Höhenmeter weiter oben vorstellen kann: Stürmische Böen, heftiger Schneefall und dichter Nebel, wie es für den Alpenhauptkamm eben nicht ungewöhnlich ist. In der Hauptsaison würde man sich darüber grün und blau ärgern, doch Ende April wirkte die Szenerie, auch wegen den eisigen Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, ziemlich surreal. Das fahrerische Hauptprogramm bestand natürlich aus der roten "Sonnenpiste" und der schwarzen Gletscherpiste, auch "Russi-Run" genannt. Zuerst entschied ich mich für letztere. Bei dichtem Nebel ist die Kombination von stark verbuckelter Piste und unregelmässig verteilten Neuschneemassen Gift für den Fahrspass. Wegen der fehlenden Sicht und den häufigen Schräghängen verlor ich auf der einen Kante ab und zu das Gleichgewicht.


Gletscherpiste, noch oberhalb der dicken Nebelschwaden


auf der 2SB


Blick hinunter nach Andermatt


kleine Selbstbedienungsbeiz auf der Gurschenalp

Viele der Gesichter, die ich morgens noch in der Kabine antraf, sah ich danach nicht wieder, die Verhältnisse waren so garstig, dass nur noch die Schneeverrückten im Skigebiet blieben. So kam es, dass die Kabinen fast leer fuhren, einmal waren wir gerade noch zu zweit in Richtung Gemsstock unterwegs. Wegen dieser geringen Frequentierung war mann folglich meistens alleine auf der Piste, was vortrefflich zur Stimmung passte. Rundherum Schnee und Nebel, rein gar nichts ausser sich selbst - die pure Einsamkeit! Was für ein Kontrast, wenn ich dies mit Talabfahrten oder sonstigen Pisten gewisser Retortenstationen vergleiche. Diese Ambiance blieb während dem ganzen Tag eigenartig und faszinierend.


Bergstation Gemsstock auf 2961 m.ü.M.


das wäre dann die Sonne...


die paar Unentwegten auf dem Gemsstock - und dies Ende April


Bergstation - statt Strom oder Wasser gibt's hier massenhaft Schnee.

Ich verzichtete auf das ausgedachte Alternativprogramm - eine unmotivierte Bahnfahrt ins Goms, die im Skipass inbegriffen wäre - und wurde dafür in Form kleinerer Aufhellungen im Bereich der Gurschenalp belohnt. Immerhin, dies brachte etwas Abwechslung in den Tagesablauf, denn ein Schlechtwettergebiet ist der Gemsstock wahrlich nicht. Und Schliesslich riss die Wolkendecke tatsächlich für 5 Minuten auf, was mir zwar etwas kurze aber geniale Powder-Abfahrt an der Sonnenpiste ermöglichte. Unberührter Pulverschnee, Ende April. Geil!


Ziehwege auf der Sonnenpiste


irgendwo auf der Sonnenpiste


die besten Bedingungen des Tages!


wenig später wieder grau in grau

Gegen Nachmittag hin trauten sich wieder einige Leute mehr ins Gebiet. Der Viertelstundentakt wurde strikte durchgezogen, wobei ich mir eigentlich einen 20Minuten-Takt gewünscht hätte. Denn wegen der miserablen Sicht und den langsamen Verhältnissen (zugeschneite Ziehwege etc.) benötigte man für die Sonnenpiste wegen der vielen Schieberei gerade 20 Minuten (inkl. Bergfahrt). Eine Fahrt auf der Gletscherpiste dauerte mit Bergfahrt 2SB und PB ca. 35 Minuten. Somit wäre mit einem 20Minuten-Takt die Warterei an der Luftseilbahn zumindest in der Theorie ausgeblieben. So diente mir häufig die wenig interessante 2SB als "Warteschleife".


1. Sektion der Luftseilbahnen, macht fast 800 Höhenmeter


Hauptanlage im Gebiet: Gemsstock-Bahn

"Dank" des anhaltenden Schneefalls stieg die Schneehöhe auf dem Gipfel auf beachtliche 5 Meter. Deutlich mehr als 50 cm hatte es an diesem Apriltag hingeschüttet! Abends verzichtete ich auf die Talabfahrt, da ich sie noch nicht kannte und sich der Nebel mittlerweile bis ins Tal hinunterzog.

Einen dicken Minuspunkt erhalten die Bahnen wegen der unzureichenden Markierung des ersten der beiden langen Steilhänge. Ich bin wahrlich kein Freund von Schilderverhau und dergleichen. Aber auf einer schwarzen Gletscherpiste mit nicht-linearem Verlauf ist es ungemütlich, wenn im Nebel keine Pistenmarkierungen zu sichten sind. Ansonsten bliebs ein ungewöhnlicher Saisonabschluss. Letztlich bleibt die Einschätzung des Tages eine Einstellungssache. Das Ganze war wenig real - zu diesem Zeitpunkt bei diesen Bedingungen in einem leeren Skigebiet zu sein kann man nicht häufig erleben, was für mich Anlass genug war, 7 Stunden im Gebiet zu bleiben.