Airolo kennt man meistens von den Staumeldungen am Radio. Das Skigebiet dagegen ist nur wenigen Deutschschweizern bekannt. Mich zog es vor allem dorthin, weil der Süden zuvor beträchtliche Schneemengen abbekommen hatte und ich endlich auch einmal auf der Alpensüdseite Snowboarden wollte. 4. Saisontag, zum 4. mal mit Snow&Rail-Kombibillet: 56 Franken für Skipass und mehr als 4 Stunden Zugfahrt, ein Spottpreis – an anderen Orten kostet die Tageskarte alleine deutlich mehr. Also nix wie los. Die Fahrt über Zürich nach Airolo mit dem Zug dauerte bloss 2 Stunden. Die Gotthard-Bergstrecke ist sowieso ein Erlebnis für sich, ausserdem konnte ich während der Fahrt noch ein Referat vorbereiten – demnach keinesfalls verlorene Zeit.
Bahnhof Airolo
9 Uhr 10, Bahnhof Airolo. Rasch bemerke ich, dass auch im Nordtessin die italienische Lebensweise Einzug gehalten hat. Laut HP soll es einen Pendelbus geben, finden kann ich ihn jedoch vorerst nicht. Von ein paar Einheimischen erfahre ich, dass der „pullmalino“ um 9 Uhr 45 käme, man nimmt es eben etwas gemütlicher. Dafür sind alle (mehrheitlich jüngeren) Angestellten ausgesprochen freundlich, sowohl vom Chauffeur als auch an der Kasse wird man herzlich und kollegial begrüsst. Von der Talstation aus führt eine Luftseilbahn mit 100er-Kabinen nach Pesciüm und von dort aus die zweite Sektion gleich hinauf zum Sasso della Boggia. Elegant schwebt man mit diesen Luftseilbahnen (Baujahr 1994) in die Höhe, irgendwie spürt man das Italienische in den Kabinen, das Befinden ist entspannter als anderswo.
1. Sektion der Luftseilbahn
Blick auf Trassee des Skilifts Comascne
Verkehrsknoten Airolo - Südportal am Gotthard
Als erstes fahre ich auf der schwarzen 7 hinunter. Oben gibt es zwar einige apere Stellen, die vermutlich vom ständig wehenden Wind verursacht wurden. Sonst aber eine tolle Piste mit 2 ideal zu fahrenden Steilhängen. Unten beginnt der Schlepper nach Comascne – die längste Anlage im Gebiet. Die Trasse verläuft mehr oder weniger einer Krete entlang, dies mit 2 Kurven. Die Stimmung hier ist recht melancholisch, denn links dominieren schroffe Felswände und die Sonne scheint kaum hierhin. Die Piste scheint völlig naturbelassen, dank der Vielzahl der Kuppen kann man sich bei jeder Fahrt eine neue Route suchen.
links der Skilift Comascne, rechts der kleine Skilift Pesciüm
stützenlose 2. Sektion
Bergstation Sasso della Boggia
Stimmung am Sasso della Boggia
Nach einer Fahrt am kleinen Pesciüm-Lift wechsele ich über die 2. PB-Sektion in die andere Geländekammer des Skigebiets, die 1994 im Rahmen der Totalerneuerung neu erschlossen wurde. Hier erreicht endlich auch die Sonne die Pisten. Die Hauptanlage auf dieser Seite ist die VonRoll-Bahn von Ravina nach Varozzei, mit 2250 m.ü.M. der höchste Punkt im Skigebiet. Sie bedient insgesamt 3 schwarze Varianten. Das tönt aber nach mehr als es ist. Hier wurde einfach überall, wo es ging, ein Pistenstück angelegt, die Zwischenverbindungen sind mit bedrohlich engen Ziehwegen hergestellt. Alles etwas Stückwerk. Dazu gibt es den Skilift Ravina-Casinello, der auch als Rückbringer nach Pesciüm dient und zwei rote Pisten bedient. Problematisch ist der letzte Hang vor Ravina. Obwohl hier alle Pisten vereinigt werden, scheint er schon länger nicht mehr präpariert worden sein. Auf gut Deutsch ein einziger Kartoffelacker.
Verbindungspiste nach Ravina
Talstation der 4KSB
unterer Abschnitt der Sesselbahn
Piste an der steilen 4KSB
auffallend die senkrechten Stützen bei der VonRoll-Sesselbahn
Skilift Casinello
Nach dem Picknick an der Sonne, die bereits wieder am Verschwinden ist, „teste“ ich die rote Talabfahrt. Schlangenförmige Ziehwege wechseln sich mit Pistenstücken ab, dazu führt sie mitten durch den Weiler Nante und auch einmal über die Strasse! Erstaunlich die Schneesituation, obwohl wie im ganzen Gebiet keine künstliche Beschneiung vorhanden ist, kommen nur wenige Steine zum Vorschein.
Airolo im Tal mit dem kleinen Lift am Gegenhang
4KSB und SL Casinello
Strecke der 4KSB Varozzei
rote Piste Casinello
Start der roten Talabfahrt
Nante - ein kleines Tessinerdorf
Strassenüberquerung
Talstation in Airolo
Als ich wieder ins Skigebiet hinauffahre, war um etwa halb zwei Uhr schon fast das ganze Gebiet wieder im Schatten. Die Sicht ist schnell äusserst diffus, trotz höchstens leichter Bewölkung. Da die linke Seite mit ihren schlecht präparierten Pisten nun nicht mehr schön zu fahren ist, bleibe ich hauptsächlich am Sasso della Boggia, wo die Sicht- und Pistenverhältnisse eindeutig am besten sind. Am Comascne-Lift mache ich nochmals mit der südlichen Mentalität Bekanntschaft: Hier stört es niemanden, wenn mitten am Lift ab- und aufgebügelt wird. So habe ich auf einmal einen „Partner“ neben mir auf dem Bügel, der nicht bis zur Talstation hinunterfahren wollte.
Talstation Bügellift Comascne
nochmals die 4KSB
Comascne-Lift bei wieder besserer Sicht
Schliesslich fahre ich um 16 Uhr mit der letzten Fahrt vor Betriebsschluss nochmals zum Sasso della Boggia, um über die schwarze 8 nach Airolo zu fahren. Diese Talabfahrt ist ähnlich wie ihre rote Schwester trassiert. Wegen den guten Verhältnissen erstaunt es nicht, dass auch die untere PB-Sektion als Beschäftigungsanlage diente. Dafür war nun aber keine Zeit mehr, denn bereits ist an allen Anlagen Betriebsschluss. Also wieder mit dem Pullmalino zurück zum Bahnhof und ab in den Norden. Die nervige Fahrt mit dem Cisalpino von Arth-Goldau nach Zürich sei da nicht genauer beschrieben. Dafür habe ich an diesem Tag etwas Sprachkulturelles gelernt: Die Region Airolo-Quinto hat ihren eigenen Italienisch-Dialekt hat, der auch etwas Rätoromanisch und Deutsch abbekommen hat. Deshalb die vielen ungewöhnlichen Namen. Nur schade, dass man sich heutzutage schämt, in purem Dialekt zu sprechen.
Mainstream-Lifte, -Pisten und –Gäste sucht man vergeblich. Schade, dass das Skigebiet fast rund um die Uhr im Schatten liegt. Ansonsten vor allem tolle Lifte, insbesondere die Pendelbahnen haben es mir angetan. Die Skigebietskonzeption ist insofern gelungen, als dass alle Lifte sehr gleichmässig ausgelastet werden, da jeder Lift seine eigene „Funktion“ hat. So gibt es nur geringe Wartezeiten. Die Pisten reichen gut für einen Tag, für mehr wäre es doch etwas langweilig. Dennoch hat das Skigebiet durch das zerklüftete Gelände seinen eigenen Charakter, was einen Besuch auf jeden Fall lohnenswert macht.
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